Herr Hoin, was ist denn das Tolle am Tollhafen – und wie ist er zu seinem Namen gekommen?
Wir heißen Tollhafen, weil die Straße hier auf der Veddel „Am Zollhafen“ heißt – und weil das manchmal hier ein Tollhaus ist (lacht). Und das Tolle ist, dass alle Kinder hier frei spielen können und als Kinder ernst genommen werden. Draußen wird oft ihr ganzer Tag reglementiert: Du ziehst das und das an, dann fährst du mit mir im Auto da und da hin, dann machst du dies und das. Kinder leben in einer sehr engen Struktur, sie reiben sich ständig an Grenzen. Hier haben sie im Spiel die Chance, frei zu sein.
Wer kommt hier her?
Menschen von der Veddel, aus Wilhelmsburg, Rothenburgsort oder sogar Eltern aus der HafenCity, die noch keine soziale Infrastruktur haben. Das Attraktive ist, dass hier von Babys bis zu Schulkindern aus der vierten Klasse alle zusammenkommen dürfen. In vielen Familien gibt es Kinder unterschiedlichen Alters – und hier können die Eltern alle mitbringen. Der Tollhafen soll ein Ort sein, an dem alle im besten Sinne aufeinander Rücksicht nehmen. Die einen schaukeln, andere freuen sich über die Hüpfburg, manche machen gerne Schweinebaumeln.
Schweinebaumeln?
Da hängen sie nur an Kniekehlen an den Ringen. Aber wir wollen das Wort abschaffen, weil das so grob klingt und natürlich den Moslems gar nicht angenehm ist, wenn das so heißt. Wir sagen nun „Fledermaus“ dazu. Weil sie mit dem Kopf nach unten hängen.
Was finden die Kinder hier?
Die Kleinen von eins bis fünf Jahren suchen Abenteuer für sich selbst. Die sind auf der Suche nach Bewegungssensationen. Und dabei finden sie heraus: Wie hoch kann ich klettern, wie schnell rutsche ich, treffe ich meinen Ball? Ältere spielen miteinander Fußball, oder sie machen Seilspringen mit der Freundin: „Ich hab’s zehn Mal geschafft, du fünf!“ Da kommt aus dem Spiel und der Bewegung – dem Motorischen – die Freude an der Gemeinschaft, das Soziale und das Emotionale. Die Kinder probieren sich im Spiel auch in verschiedenen Rollen aus: Ich bin Messi, ich bin Ronaldo.
Warum gehört gerade Spiel und Bewegung zum guten Aufwachsen dazu?
Den eigenen Körper entdecken, dann das soziale Ich und das Wir: Die Entwicklungsschritte des Menschen sind in den verschiedenen Spielformen versteckt. Das Spielen bietet Kindern die schnellsten, aber auch die intensivsten und die vielfältigsten Möglichkeiten, sich gut zu entwickeln.
Sie sprechen vom „Recht auf Spiel“.
Spielen ist für viele Erwachsene etwas, das man nur auf dem Spielplatz macht. Das Recht aufs Spiel bricht das auf, denn es sagt: „Ich kann überall, selbst auf dem Jungfernstieg, über irgendwas drüber balancieren und tanzen.“ Wir sollten uns alle motivieren, neue Räume zu entdecken, in denen sich bewegt, gespielt und gechillt werden kann. Dazu gehört, dass soziale Arbeit auch am Wochenende und in den Ferien stattfinden muss. Denn dann haben die Kinder Zeit.
Wie kamen Sie zum Tollhafen?
Dank der Initiative einer anonymen Spenderin wollte die BürgerStiftung ein Bewegungsprojekt machen. Durch einen Zufall kam es dazu, dass ich das als Experte entwickeln sollte. Eigentlich ein kurzfristiger Job. Das nächste Jahr feiern wir den 15. Geburtstag. Und inzwischen haben wir Angebote auf der Veddel, in Wilhelmsburg und am Ausschläger Elbdeich.