Dr. Entholt-Laudien, wie kommen diese Menschen auf Sie zu?
Meistens beginnt alles mit einer E-Mail oder einem Anruf in der Stiftung. So erfahre ich schon einmal in Grundzügen, welche Vorstellungen die Menschen haben. Dann verabre den wir einen Termin für ein Gespräch hier im Haus. In ganz entspannter Atmosphäre. Wir haben Kaffee, Tee und Plätzchen da – und einen Vorrat an hübschem Geschirr, das wir geerbt haben. Wir schenken hier einigen schönen Dingen ein zweites Leben, und an denen sollen sich natürlich auch unsere Gäste erfreuen.
Wenn Sie sich dann gegenübersitzen: Welche Frage ist die wichtigste bei der Beratung?
Die nach dem Zeitpunkt: Möchten Sie jetzt gemeinnützig tätig werden oder erst nach Ihrem Tod? Aus der Antwort ergeben sich mehrere Möglichkeiten: Sie können uns zu Lebzeiten Vermögen spenden, eine Zustiftung etwa in Form von Geld oder einer Immobilie machen oder eine Treuhandstiftung gründen. Dann können Sie sofort sehen, was mit Ihrem Geld passiert, Sie können Projekte besuchen, die gefördert werden. Oder Sie können uns im Testament
als Erbin einsetzen. Der Vorteil einer gemeinnützigen Stiftung wie unserer ist, dass sie steuerfrei erbt. Damit ist mehr Geld übrig, um in Hamburg Gutes zu tun.
Wahrscheinlich sind es eher ältere Menschen, die sich mit ihrem Testament auseinandersetzen?
Nicht nur. Ich treffe auch welche, die überraschend jung und bei wunderbarer Gesundheit sind, die sich aber auch sagen: Ich kann bei meinem nächsten Flug in den Urlaub vom Himmel fallen – und dann soll alles geregelt sein. Oft ist für Jüngere tatsächlich der Tod der Eltern ein Anlass, über ihr Testament nachzudenken. Natürlich kommen aber auch viele Senior:innen zu mir. Diese Menschen sind oft alleinstehend oder Ehepaare ohne Kinder. Viele davon waren ihr Leben lang berufstätig, hinterlassen ein nennenswertes Vermögen und möchten nun festlegen, was damit passieren soll. Sie suchen oft auch jemanden, der sich um alles kümmert, wenn sie sterben. Und wir machen das: Wir geben, wenn es im Sinne des Verstorbenen ist, eine Todesanzeige auf, organisieren die Beerdigung und sorgen für eine würdige Nachlassabwicklung. Die Sorge um all das treibt viele Ältere um, und das verstehe ich. Das ist eine Aufgabe, die wir sehr ernst nehmen.
Am Ende sollten alle das gute Gefühl haben, dass sie erreicht haben, was sie erreichen wollten.
Dr. Dagmar Entholt-Laudien, der Vorstandsvorsitzende der BürgerStiftung Hamburg
Wie kann ich sicherstellen, dass mein Erbe weiter mit meinem Familiennamen verknüpft ist?
Sie können im Testament verfügen, dass Ihr Vermögen als Zustiftung in das Grundstock-Vermögen der Stiftung übergeht. Dann dürfen nur die Erträge für die Stiftungszwecke verwendet werden. Wenn Sie mögen, können Sie Ihrer Zustiftung auch einen Namen geben, dieser ist frei wählbar. Das kann Ihr eigener Name sein oder der eines Menschen, der Ihnen viel bedeutet, oder sogar ein Fantasiename. Sie können auch einen Zweck festlegen, für den das Geld verwendet werden soll. Sie können bei uns zum Beispiel gutes Aufwachsen in Hamburg fördern oder Umweltprojekte, migrantische Selbstorganisationen, Integration, Demokratieförderung und vieles mehr.
Inwiefern kann ich so ein Testament später noch ändern?
Wenn Ihnen ein anderes Thema wichtig werden sollte in den kommenden Jahren, können Sie Ihr Testament jederzeit ändern und einen neuen Zweck festschreiben. Auch wenn Sie die BürgerStiftung als Alleinerbin eingesetzt haben und später der Nachbarin, die Ihnen immer hilft, nach Ihrem Tod einen Geldbetrag zukommen lassen wollen – dann können Sie das einfach in Ihrem Testament ergänzen. Nichts ist festgeschrieben, alles ist wandelbar. Das ist doch ein beruhigendes Gefühl.
Was sind die Beweggründe der Menschen, zu Lebzeiten Geld oder Sachwerte zu spenden?
Oft tun sie das in dem Wissen, dass ihr Vermögen in jedem Fall groß genug ist für alle möglichen zukünftigen Ausgaben. Dass sie also schon zu Lebzeiten etwas abgeben möchten. Dann gibt es mehrere Möglichkeiten: Sie können uns, wie bereits erwähnt, „zustiften“. Dann geht ihre Spende in das Grundstock-Vermögen der BürgerStiftung über, und mit den erwirtschafteten Erträgen unterstützen wir soziale Projekte. Oder sie gründen eine Treuhandstiftung. Die verwalten wir dann unter unserem Dach. In beiden Fällen sollte es sich aber um eine höhere Summe handeln, damit die Erträge für ein spürbares gemeinnütziges Engagement ausreichen.
Was machen Sie, wenn Sie feststellen: Die Menschen, die Sie beraten, haben Vorstellungen, die nicht zu den Zwecken der BürgerStiftung passen?
Wenn jemand zum Beispiel nur Hochbegabte fördern möchte oder eine Einzelperson, dann vermittele ich auch zu anderen Stiftungen. Das ist für mich selbstverständlich.
Was aus Ihrer Vita hilft Ihnen heute, solche Prozesse beratend und aktiv zu begleiten?
Mir hilft natürlich mein früheres Anwaltsleben sehr. Ich habe im Gesellschaftsrecht und bei Transaktionen beraten, und da muss man auch herauskriegen, was gewollt ist, was erreicht werden soll. Man muss zeigen, welche Schwierigkeiten es gibt, Lösungen vorschlagen und umsetzen. Am Ende sollten alle das gute Gefühl haben, dass sie erreicht haben, was sie erreichen wollten. Das alles habe ich mein Berufsleben lang gemacht. Und jede erfolgreiche Beratung freut mich.
Mit welchem Gefühl sollen die Leute nach Kaffee und Plätzchen am besten nach Hause gehen?
Dass sie ein Problem gelöst haben, das sie sehr umgetrieben hat. Danach fühlt man sich, glaube ich, aufgeräumter und sicherer. Aber der Prozess geht ja noch weiter. Für uns ist zum Beispiel ein Fachanwalt für Erbrecht ehrenamtlich tätig, der beim Erstellen der Testamente helfen kann. Mit ihm sitze ich manchmal auch zu zweit in den Beratungen. Was mir noch wichtig ist: dass wir weiter Kontakt zu den Menschen haben, die wir beraten haben – sofern sie das möchten. Wir laden sie ein zu Veranstaltungen, wir freuen uns, wenn sie unsere Projekte besuchen. Wir möchten sie begleiten. Sie sollen wissen, wohin ihr Geld geht. Mir fällt immer wieder meine erste Testatorin ein, die ich beraten habe. Sie kommt gerne zu Events vorbei, und ich freue mich immer, sie zu sehen. Bei ihr habe ich das Gefühl, dass sie sich sehr wohlfühlt damit, dass wir sie beerben werden.
Andra John
Bereichsleitung Philanthropie, Partnerschaften und Kommunikation
Tel. (040) 878 89 69-68
andra.john@buergerstiftung-hamburg.de