Kann man Demokratie lernen?
Heike Schmidt: Ja, demokratisches Handeln kann man lernen. Oder besser gesagt: muss man erst lernen. Denn neben theoretischem Wissen aus dem Politikunterricht müssen junge Menschen Demokratie vor allem erleben. Sie müssen erfahren, dass ihre Meinung ernstgenommen wird – und dass auch andere Meinungen gute Argumente auf ihrer Seite haben. Es ist wichtig, sich auszuprobieren und eine Haltung für sich finden. Was passiert, wenn das zu kurz kommt, erleben wir weltweit gerade in Form von Polarisierung, dem Gefühl von Ohnmacht und Hate Speech.
Wie kann man sicherstellen, dass das nicht zu kurz kommt?
Heike Schmidt: Zum Beispiel mit unserem Projekt [’You:sful]. Wir unterstützen Schulen darin, Unterricht und Engagement miteinander zu verknüpfen. Wichtig ist uns dabei, dass die Schüler:innen selbst Ideen entwickeln. Wir fragen: Was ist euch wichtig? Viele stürzt das erst mal in ein tiefes Schweigen, weil dies eine schwere Frage ist, die sie oftmals noch nie gefragt wurden. Aber es lohnt, auf die Antwort zu warten. Denn daraus entwickeln die Schüler:innen Engagementprojekte, mit denen sie sich einmischen und etwas verändern können. Dazu gehört immer auch viel Recherche. Gespräche mit Expert:innen, seien es Sozialarbeiter:innen, Umweltverbände, Politiker:innen, Altenpfleger:innen, kurz: Menschen, die sich engagieren. Auch hier lernen Schüler:innen: Es gibt schon ganz viele aktive Vorbilder, die sich einsetzen.Farnoosh Kofi: Bei „Sisters Network“ sprechen wir über politische Themen, wenn sie in den Medien heiß diskutiert werden. Einmal sind wir zusammen zu einer Demo gegangen. Es geht bei „Sisters Network“ aber auch um Mental Health und darum, gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Wir entscheiden, was passiert und was wir machen. Wir können unsere Ideen einbringen. Das finde ich wichtig für die Demokratiebildung. Man muss spüren, dass man Potenzial in sich hat und sich zutrauen, was zu verändern. Man muss üben, seine Meinung zu sagen, wenn einem was nicht gefällt. Ganz egal, ob politisch oder nicht.
Man muss spüren, dass man Potenzial in sich hat und sich zutrauen, was zu verändern.
Farnoosh Kofi
Also geht es vor allem ums Miteinanderreden?
Heike Schmidt: Ja, nur über den Diskurs gelangt man zu politischer Mündigkeit. Kinder und Jugendliche müssen ihre eigenen Themen benennen und bearbeiten können, und dazu gehören für einen sehr großen Teil der Hamburger Schüler:innen auch die Themen Rassismus, Chancengerechtigkeit und Diversität. Dafür brauchen Kinder und Jugendliche nicht nur kommunikatives Handwerkszeug, sondern Ermutigung, Dinge miteinander auszuhandeln, Fakten von Fake zu unterscheiden, Meinungen begründen und sie auch ändern zu können.
Farnoosh Kofi: Aber seine Meinung zu äußern, kann sehr schwer sein. Jeder möchte doch gemocht werden. Man muss aus seiner Komfortzone
rauskommen und riskieren, dass manche dich für deine Meinung verurteilen. Oder dass man vielleicht jemanden verletzt, den man mag. Das muss man alles erst üben. Demokratie lernen, ist wie eine Sprache lernen: Man muss sie nicht nur verstehen, man muss sie auch sprechen können.
Wir fördern Projekte, die sich für unsere Demokratie stark machen und insbesondere junge Menschen dazu motivieren, sich eine eigene Meinung zu bilden und die Möglichkeiten der Mitbestimmung zu nutzen. Was wir noch tun