Die aus Tschetschenien stammende Keda muss nicht lange nachdenken: „Wir wissen, wie schwer es ist, sich als Mutter ohne Sprachkenntnisse in einer fremden Kultur zurechtzufinden. Uns wurde geholfen, und jetzt helfen wir.“ Schila aus Afghanistan, Zuhal aus der Türkei und Mariola aus Polen nicken zustimmend. Sie sind vier von insgesamt 23 „Stadtteilmüttern“ in Lohbrügge. Wenn sie von ihrem Ehrenamt berichten, kommen sie immer wieder auf ihre eigenen Erfahrungen zurück, etwa auf die Hilflosigkeit, die z. B. ein Arztbesuch oder Behördenpost auslösen können. Es sind Geschichten von Einsamkeit und Überforderung. Doch das ist Vergangenheit – das merkt man diesen Frauen an.
Wir wissen, wie schwer es ist, sich als Mutter ohne Sprachkenntnisse in einer fremden Kultur zurechtzufinden. Uns wurde geholfen, und jetzt helfen wir.
Keda, Stadtteilmutter
Das Projekt „Stadtteilmütter“ wirkt in beide Richtungen: Die ehrenamtlichen Helferinnen entdecken ihre eigenen Stärken, wenn sie andere Familien durch den schwierigen Alltag lotsen. Nicht selten mündet ihr Ehrenamt sogar in einem festen Job, wie bei Zuhal, Stadtteilmutter der ersten Stunde, die sich früher aus dem Gespräch verabschieden muss. Sie arbeitet jetzt im Bürgerhaus „brügge“ am Empfang und muss zur Arbeit. Die anderen Stadtteilmütter berichten weiter davon, wie sie im Rahmen ihres ehrenamtlichen Engagements bei Terminen Ärzt:innen und Lehrer:innen übersetzen, bei Behördengängen begleiten, zeigen, wie man online eine Wohnung sucht und erklären, dass die Schulpflicht in Deutschland sehr ernst genommen wird. Sie stärken Mütter und Väter und damit auch deren Kinder. Denn wenn Eltern orientierungslos vor scheinbar unüberwindbaren Hürden stehen, leiden zwangsläufig auch die Kinder.
Das wissen auch die Sozialpädagogin Ann-Kathrin Amon und die Familienhebamme Jill Mertens von der Beratungstelle ADEBAR. „Unsere Sprechstunden sind seit Pandemiebeginn noch überlaufener als zuvor.“ In den Wohnunterkünften, in der August-Kirch-Strasse und am Holmbrook – beides Unterkünfte in Trägerschaft von fördern&wohnen – bietet ADEBAR wöchentlichen eine Sprechstunde an. Familienhebamme Jil Mertens stellt dabei viele Hautausschläge und Atemwegserkrankungen fest, denn die Enge und die schlechte Luft in den Unterkünften machen krank. Zusätzlich sind die Familien, die zu Ann-Katrin Amon in die Sozialberatungssprechstunde kommen damit konfrontiert, dass die Behörden pandemiebedingt niedrigschwellige Zugänge komplett eingebüßt haben. Persönliche Kontakte vor Ort sind kaum noch möglich, alle Prozesse werden ins Virtuelle verlagert. Daher können Menschen, die weder über notwenige Endgeräte noch den entsprechenden WLAN-Empfang und die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen, Ihre Angelegenheiten mit den verschiedenen Ämtern nicht mehr ohne Unterstützung klären. Viele stehen hierdurch zumindest zeitweise vor ganz existenziellen Problemen, weil auch aufgrund enormer Bearbeitungsstaus auf Seiten der Ämter die überwiegend digitale Kommunikation nicht gut funktioniert und es zu finanziellen Lücken kommt, wenn sich die Leistungsbewilligung verzögert.
Wir machen für die Mütter hier einen großen Unterschied. Wir lindern die allerdrängendsten Sorgen.
Ann-Katrin Amon, Sozialpädagogin
Das Angebot von Adebar ist für die jungen Mütter und Familien besonders hilfreich, weil Sozialberatung und Hebammensprechstunde an einem Ort stattfinden. Das macht Ann-Katrin Amon trotz der vielen Probleme zuversichtlich: „Wir machen für die Mütter hier einen großen Unterschied. Sie bringen zum einen ihre Briefe vom Amt, die sie nicht verstehen zu uns und gleichzeitig sehen wir Mutter und Kind, können zum Stillen beraten und die Kinder wiegen. In der Regel haben die Familien keine Wochenbetthebamme, die dies tun kann und so haben sie zumindest zwei Mal wöchentlich eine Ansprechperson. Wir lindern die allerdrängendsten Sorgen. So helfen wir dabei, dass das Zusammenwachsen von Mutter und neugeborenem Baby, mehr Raum einnehmen kann und das stärkt die gesamte weitere Mutter-Kind-Beziehung.“
Die Projekte werden gefördert über den Themenfonds „Hamburger Anker”.