In Bahrenfeld, wo die Wohnblocks 16 Stockwerke in die Höhe ragen, gibt es eine besondere Baustelle. Dort entstehen kein Haus und keine Straße, hier bauen Kinder Schiffe aus Altholz und Sitze aus Paletten oder sie graben nach Schätzen. Draußen rattert die S-Bahn vorbei, Autos rasen über die Autobahn. Hinter dem Zaun liegt der Bauspielplatz. Hier ist eine andere Welt, bunter und freier. Im Sommer kommen bis zu 80 Kinder am Tag zum „ASP Bahrenfeld“, sonst ein paar weniger. Das Tolle: Montags bis freitags ist immer geöffnet, auch in den Ferien. Die Kinder können einfach reinspazieren, eine Mitgliedschaft ist nicht nötig.
Die wenigsten können ihre Freunde nach Hause einladen. Sie treffen sich hier.
Britta Stange, Pädagogische Leitung des „ASP Bahrenfeld“ von der movego Jugendhilfe
Wer den Trubel hier sieht, könnte fast vergessen, dass so ein buntes Treiben für all die langen Coronamonate nicht möglich war. „In der Schule haben die Kinder wieder ganz schön Druck. Es wird so getan, als wäre das, was die Kinder in der Coronazeit erlebt haben, bereits abgehakt“, sagt Britta Stange, die pädagogische Leiterin des Bauspielplatzes. „Dabei merken wir hier ganz deutlich, dass ihnen die gemeinsame Zeit im Alltag gefehlt hat und dass die Kinder unsicher sind, wie sie eigentlich miteinander umgehen.“
Da vorne zum Beispiel, bei den Fahrradständern, da wird das sichtbar. Es gibt nicht genügend Räder für alle. „Manche brauchen einen Schubs, um ihre Wünsche auszusprechen, anderen muss man laut und deutlich ‚Stopp‘ sagen, weil sie zu schnell hauen“, sagt Britta Stange, und sie muss lachen. „Manchmal fühle ich mich wie eine Dirigentin in einem Orchester. Ich schaue immer: Wer braucht gerade was, damit alle gut zusammenspielen. “Gewalt hat keinen Platz auf dem Bauspielplatz. Das wissen alle, die hierherkommen. Es ist ein sicherer Ort. Auch ganz hinten im Gebüsch, wo die großen Jungs die Regeln fürs Fangenspielen ausmachen. „Nee, nur ich habe eine Waffe. Nur ich und Onur haben Waffen“, ruft einer und schon stürmen alle los.
Wer hier quer über den Platz rennt, braucht dafür bestimmt 30 Sekunden. 6.200 Quadratmeter hat das Areal insgesamt. Geräteschuppen, Höhenweg, Feuerstelle, Sitzecke, Sandkiste, Fußballplatz und natürlich die Grube, in der immer die Schätze versteckt sind. Bunte Glassteine, von Britta Stange und ihrem Team in der Erde vergraben. Wer sich eine Schaufel ausleiht und lange genug buddelt, der findet garantiert einen. So wie jetzt ein Mädchen, das Britta mit erdigen Fingern einen blankgeputzten roten Stein entgegenstreckt. Britta soll unbedingt auf ihn aufpassen. Sie will ihn heute Abend mit nach Hause nehmen und auf gar keinen Fall vorher verlieren. „Oh ha“, sagt die 45-jährige Pädagogin, „da muss ich ja wirklich gut achtgeben“, und steckt den Stein in ihre Hosentasche.
Der Bauspielplatz ist ein Ort für besondere Sachen, für die draußen kein Platz ist. Viele Kinder, die hierherkommen, sind Schutzsuchende. Sie wohnen in den Wohnunterkünften Baurstraße und Sibeliusstraße. Manche kämpfen noch mit den Erfahrungen, die sie in ihrem Heimatland oder auf der Flucht machten. „Wir machen hier schöne und besondere Sachen, die aus dem Alltag rausstechen. Es geht um Freude, ums Seifenblasenpusten, Waffelnbacken, darum, Skulpturen aus Metall zu schweißen“, sagt Britta Stange. „Die Kinder wollen hier das Gegenteil von Schule erleben. Sie wollen aus sich heraus was machen.“ Wünsche haben, auf Ideen kommen und gemeinsam was starten: Dafür ist der Bauspielplatz der richtige Ort. Und auch wenn sie hier nicht jeden Tag was bauen, entsteht hier jeden Tag etwas. Erinnerungen zum Beispiel, die wie Schätze sind. Oder Freundschaften. Auf dem Weg zurück in die Erwachsenenwelt rattert und stapft die S-Bahn schon wieder, aber zwischen dem Zaun hindurch, aus Richtung der Basketballkörbe dringt noch leise nach draußen: „Ich heiße Liam und du?“. „Ich bin Yalda.“
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Euro kostet ein Ferienkurs Metallschweißen für 20 Kinder
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