Ukrainische Staatsbürger:innen benötigen seit 2017 kein Visum mehr, um in die EU einzureisen. Ukrainer:innen können sich in einem Zeitraum von 180 Tagen maximal 90 Tage in der EU aufhalten. Begründet wird die Regelung von der Europäischen Kommission damit, dass die Ukraine die Kriterien des Visaliberalisierungsplans erfüllt hat, wozu die Eindämmung der Korruption bei der Ausweisausstellung oder das Verhindern illegaler Migration gehört. Das Land wurde deshalb von der Visumpflicht ausgenommen. Menschen aus der Ukraine können daher unkompliziert legal in die EU einreisen. Das ist für Menschen anderer Herkunftsländer außerhalb der EU nicht möglich.
Prince und Sebastian | Patenschaftstandem
~ 7 %
der Geflüchteten aus der Ukraine in Hamburg sind Drittstaatsangehörige
Quellen: Zahl der Drittstaatsangehörigen (Stand 08.03.2023) geteilt durch Zahl aller Schutzsuchenden (Stand 15.03.2023)
Wenige Tage nach dem Überfall der russischen Streitkräfte auf die Ukraine beschloss der Europäische Rat am 3. März 2022, den als Massenzustrom-Richtlinie bekannten Mechanismus zu aktivieren. Die Massenzustrom-Richtlinie wurde bereits in den 1990er Jahren vor dem Hintergrund des Krieges im ehemaligen Jugoslawien etabliert. Man hat sie jedoch zum ersten Mal infolge des Krieges in der Ukraine angewandt. Die Richtlinie erlaubt es, den vor Krieg flüchtenden Menschen aus der Ukraine in der gesamten EU sofort und kollektiv Schutz zu gewähren, ohne dass eine Prüfung von Einzelanträgen notwendig wird. So haben ukrainische Geflüchtete von Anfang an einen Aufenthaltstitel sowie Zugang zu Arbeitsmarkt, Wohnraum, Schulsystem und medizinischer Versorgung. Bereits wenige Wochen nach Inkrafttreten der Massenzustrom-Richtline gab es Kritik an dem Mechanismus, weil er Geflüchtete aus der Ukraine ohne ukrainischen Pass nur begrenzt berücksichtigt und nicht auf Schutzsuchende anderer Herkunftsländer angewendet wird.
Niklas Harder | Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM)
Die Richtlinie koordiniert die Aufnahme von Schutzsuchenden in die EU jenseits des Dublin-Systems, das bislang die Verteilung geflüchteter Menschen in der EU regelt. Nach dem Dublin-Verfahren ist derjenige EU-Staat für die Geflüchteten verantwortlich, über welchen die Menschen die EU betreten haben. Dies hätte die EU-Nachbarländer der Ukraine – Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien – jedoch besonders belastet. Stattdessen werden Geflüchtete aus der Ukraine EU-weit verteilt. Die Vereinfachung der Aufenthaltsregularien für sie soll auch einer Überlastung der Behörden entgegenwirken.
Paragraf 24 der Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz (§ 24 AufenthG) regelt die Anwendung der Massenzustrom-Richtlinie der Europäischen Union in Deutschland. Demnach wird Schutzsuchenden aus der Ukraine in Deutschland eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr erteilt, die sich automatisch um ein Jahr verlängert, sofern eine sichere Rückkehr in die Ukraine nicht möglich ist. Der vorübergehende Schutz schließt auch Drittstaatsangehörige ein, jedoch unter der Voraussetzung, dass es ihnen nicht möglich ist, unter sicheren Bedingungen in das Land ihrer Herkunft zurückzukehren.
Laut Innenministerium wird im Einzelfall geprüft, ob die betroffene Person individuelle Gründe vortragen kann, die gegen eine sichere Rückkehr sprechen. § 24 AufenthG regelt auch die Verteilung der Schutzsuchenden auf die einzelnen Bundesländer. Außerdem erhalten aus der Ukraine geflüchtete Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG seit dem 1. Juni 2022 reguläre Sozialleistungen und weitere Unterstützungsleistungen wie Integrationskurse vom Jobcenter.
Bei Mentor:innen, die bereits seit mehreren Jahren Mentees aus verschiedenen Herkunftsländern begleiten, hat die Anwendung der Massenzustrom-Richtlinie teils für Unverständnis gesorgt. Mit einer mehrjährigen Aufenthaltsperspektive sowie einem vereinfachten Zugang zu Arbeitsmarkt und Wohnraum erhalten Geflüchtete mit einem ukrainischen Pass viele Möglichkeiten. Das gilt jedoch nicht für Geflüchtete aus anderen Ländern, die zum Teil seit Jahren um eine Bleibeperspektive kämpfen. Mentor:innen und Patenschaftskoordinator:innen stellen die unterschiedlichen Regelungen deshalbvor Herausforderungen. Denn eine gleichwertige Unterstützung wird schwierig, wenn die rechtlichen Voraussetzungen und damit die Hürden für den Zugang beispielsweise zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt so verschieden sind.
Ich freue mich über die Möglichkeiten für Menschen aus der Ukraine. Aber man fragt sich schon, warum anderen Menschen solche Hürden in den Weg gelegt werden.
Katrin | Mentorin